Candidate Experience Praxis - One-Click-Bewerbung für KMUs



Heute habe ich bereits zum zweiten mal das Vergnügen, Ina Ferber - Geschäftsführerin von Ferber Personalberatung - zu interviewen. Wie auch beim letzten mal geht es heute um ein aktuelles Thema - diesmal über Candidate Experience. Passend zur aktuellen Veröffentlichung meines Buches"Candidate Experience: Ansätze für eine positiv erlebte Arbeitgebermarke im Bewerbungsprozess und darüber hinaus" hat Ina Ferber ein sehr interessantes Produkt zum Thema One-Click-Bewerbung auf den Markt gebracht, welches insbesondere für kleine und mittelständische Unternehmen eine Überlegung Wert sein sollte. Also lest selbst!
 
Tim Verhoeven: Wie genau sieht deine One-Klick-Lösung aus und warum ist sie gerade für den Mittelstand passend?

Ina Ferber: Die Lösung sieht so aus: Arbeitgeber binden den Button „Mit XING-Profil bewerben“ in der Online-Stellenanzeige ein. Kandidaten klicken auf den Button und bewerben sich mit ihrem XING-Profil. Arbeitgeber erhalten die Bewerbung direkt per E-Mail. Wichtig ist die OneClickBewerbung, weil immer mehr Kandidaten Jobs per Handy und Tablet suchen (zuletzt 60%, Tendenz steigend). Auf mobilen Geräten halten jedoch die wenigsten Bewerber einen Lebenslauf vor. Unternehmen, die keine Bewerbung mit einem Social-Media-Profil anbieten, verlieren daher einen Großteil der Interessenten. In Zeiten des Fachkräftemangels kann sich das kein Arbeitgeber leisten. Neu ist an dieser Lösung, dass sie ohne Bewerbermanagement-System funktioniert. Mittelständische und kleine Firmen, die jährlich drei, zwanzig oder dreißig Positionen besetzen und keine namhafte Employer Brand haben, erhalten meist eine überschaubare Anzahl von Bewerbungen. Sie benötigen kein E-Recruiting-Tool. Den Button „Mit XING-Profil bewerben“ gab es bisher jedoch nur mit einer Schnittstelle zu einem Bewerbermanagement-System. Für alle anderen Unternehmen (ca. 50% der Firmen mit bis zu 500 Mitarbeitern), gab es bisher kein vergleichbares Angebot. Das ändert sich mit der OneClickBewerbung. Die OneClickBewerbung ist also nicht nur besonders passend für den Mittelstand, sie ist die einzige Lösung für den Mittelstand. 


Tim Verhoeven: Woran liegt es aus deiner Sicht das Thema One-Klick-Bewerbungen grundsätzlich noch nicht überall angekommen ist? 

Ina Ferber: 99,6% aller Unternehmen in Deutschland haben weniger als 500 Mitarbeiter. Diese Unternehmen beschäftigen knapp 60% aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und über 80% der Auszubildenden . Sie schalten die Mehrzahl der Stellenanzeigen in Deutschland. Wie erwähnt, verwenden ca. 50% dieser Firmen kein Bewerbermanagement-System. Das Thema ist also vor allem deswegen nicht angekommen, weil für einen Großteil der Stellenanzeigen bisher schlicht keine OneClick-Lösung zur Verfügung stand. Daneben gibt es natürlich auch Einwände von Recruitern und Bewerbern. Kandidaten äußern oft die Sorge, dass eine OneClickBewerbung nicht ernst genommen wird. Diese Sorge sollten Unternehmen den Kandidaten mit einer entsprechenden Kommunikation nehmen. 

Beispielsweise schreibt „Willecke IT Beratung“ in der aktuellen Stellenanzeige unter der Einladung zur OneClickBewerbung „Bewerbungen werden, egal über welchen Weg sie eingehen, als vollwertige Bewerbung angenommen.“ 

Recruiter befürchten, dass sie zu viele Bewerbungen erhalten, wenn sie es Bewerbern „zu leicht“ machen. Außerdem argwöhnen sie, dass viele Kandidaten, die sich per XING-Button bewerben, nicht ernsthaft interessiert sind. Manche Recruiter erwarten außerdem Probleme mit unvollständig ausgefüllten XING-Profilen. 
"Lösen Sie nur Probleme, die Sie haben!"

Diesen Recruitern sage ich: Lösen Sie nur Probleme, die Sie haben! Wer regelmäßig sehr viele Bewerbungen erhält, sollte lieber den Fokus auf eine professionelle und zeitsparende Personalauswahl legen. Die OneClickBewerbung hilft nur dann, wenn zu wenige Bewerbungen eingehen, um die Stelle zu besetzen. Wer also das Problem „zu wenige Bewerbungen“ hat, sollte die OneClickBewerbung nutzen. Denn die OneClickBewerbung senkt die Hürden für Kandidaten und bewirkt so den Eingang von zusätzlichen Bewerbungen. Klar, da wird sich auch einmal eine unentschlossene Kandidatin melden oder ein Bewerber, der das Datum des Studienabschlusses nicht eingetragen hat. Na und? Dadurch erhält das Unternehmen z.B. sieben statt fünf qualifizierte Bewerbungen auf eine offene Stelle, und der Recruiting-Erfolg stellt sich ein. 

Tim Verhoeven: Jetzt würden die meisten Personaler bei dieser Lösung in erster Linie an das Thema Candidate Experience denken – warum sagst du hingegen, dass bei dieser Lösung auch die Recruiter Experience interessant ist? 

Ina Ferber: Die OneClickBewerbung hat primär eine Funktion: Sie erhöht durch eine positive Candidate Experience die Anzahl der Bewerbungen, die auf Online-Stellenanzeigen eingehen. (Für die online-marketing-versierten Leser: Die OneClickBewerbung verbessert die Conversion der Stellenanzeigen.) Immer dann, wenn auf eine Stellenanzeige nicht genug Bewerbungen eingehen, um die Stelle zu besetzen, ist die OneClickBewerbung hilfreich. 

Der Recruiting-Erfolg ist an sich schon eine gute Recruiter Experience ;-). Abgesehen davon, natürlich haben wir darauf geachtet, dass die Nutzung der OneClickBewerbung für Recruiter kleiner und mittelständischer Firmen angenehm und einfach ist. Die Einbindung des Buttons „Mit XING-Profil bewerben“ ist mit wenigen Klicks und ohne Programmierkenntnisse möglich. Recruiter können für jede Stellenanzeige entscheiden, ob sie den Button einbinden wollen oder nicht, und sie können den Button in einer Stellenanzeige jederzeit wieder löschen. Die Lebenslaufinformationen aus dem XING-Profil sind direkt in der Bewerbungsmail enthalten, um zu vermeiden, dass Anhänge oder Bilder dazu führen, dass die Nachrichten im Spam-Ordner landen. Die Tabelle mit den Lebenslaufdaten in der E-Mail ist schnörkellos und übersichtlich. Die OneClickBewerbung ist also sparsam und klar gestaltet und somit sauber auf die Recruiter Experience ausgerichtet. 

Tim Verhoeven: Würdest du sagen, dass das Thema Recruiter Experience besonders im Mittelstand mit nicht sehr ausgeprägter HR-Struktur besonders relevant ist? 

Ina Ferber:„Candidate Experience“ stellt in den Fokus, dass Kandidaten Kunden der Recruiter sind. „Recruiter Experience“ dreht die Perspektive um und betrachtet Recruiter als Kunden. Ich freue mich, dass Du das Thema „Recruiter Experience im Mittelstand“ aufbringst, denn ich sehe hier eine Lücke. 

Wenn E-Recruiting-Tool-Provider, Jobbörsen oder andere Dienstleister über „Recruiter Experience“ sprechen, dann meinen Sie meistens Angebote, die es Recruitern möglichst leicht machen, viele offene Stellen, ein hohes Bewerbungsaufkommen oder Recruiting-Prozesse mit vielen Stakeholdern (z.B. Betriebsrat, Hiring-Manager in einer verzweigten, globalen Konzernorganisation, …) zu verwalten. Das ist in großen Organisationen wichtig, hilft jedoch den kleineren Mittelständlern wenig. Sie suchen pragmatische Lösungen, die unmittelbar auf die Recruiting-Ziele einzahlen. Und da werden sie nicht immer fündig (wie das bisherige Fehlen einer OneClick-Lösung zeigt). Deswegen ist es um die Recruiter Experience im Mittelstand oft nicht gut bestellt. 

Tim Verhoeven: Woran liegt es deiner Meinung nach, dass das Thema Recruiter Experience jetzt bei manchen Dienstleistern im Fokus liegt? 

Ina Ferber: Ich beobachte das mit Verwunderung. Recruiter sind Kunden der Dienstleister. „Customer Experience“ wurde als Begriff 1998 eingeführt und „Customer Experience Management“ ist seit mindestens 10 Jahren ein allgemein bekanntes und weit verbreitetes Instrument. Warum einige Dienstleister heute so tun, als hätten sie die Schaffung positiver Kundenerfahrungen erst jetzt für sich entdeckt, kann ich mir nicht erklären. 

Tim Verhoeven: Fehlt deiner Meinung nach nicht noch das Thema Hiring Manager Experience – nachdem Candidate Experience und Recruiter Experience im Fokus sind? 

Ina Ferber: Jein. Ich denke, wir sollten vermeiden, uns in einem „Experience-Wald“ zu verlaufen. Wenn der Begriff „Hiring Manager Experience“ Unternehmen zu einer vollständigen Stakeholder-Analyse im Recruiting verhilft, dann finde ich das prima. Meiner Meinung nach beinhaltet Candidate-Experience-Management bereits eine aktive Einbindung aller Stakeholder: Kandidaten werden mit einer Kandidatenzufriedenheitsbefragung involviert und alle internen Parteien, z.B. HR, Hiring-Manager, Betriebsrat, arbeiten in Candidate-Experience-Workshops mit, um Ziele und Bedarfe aller Beteiligten am Recruitingprozess zu berücksichtigen. Deswegen plädiere ich dafür, das Candidate Experience Management weiter zu professionalisieren und neue Experience-Wortschöpfungen sparsam zu verwenden. 
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Wer noch die passende Literatur zum Thema lernen sucht, dem lege ich mein aktuelles Buch "Candidate Experience: Ansätze für eine positiv erlebte Arbeitgebermarke im Bewerbungsprozess und darüber hinaus" ans Herz. Sowohl die Theorie und wissenschaftliche Betrachtung, als auch eine Vielzahl von Praxisbeispielen und konkreten Handlungsempfehlungen sind dort zu finden. Passend zu diesem Artikel gibt es dort einen Artikel über das Thema One-Click-Bewerbungen (Kapitel 9. "Candidate Experience im e-Recruiting" von Sandra Petschar et. al.) und einen weiteren Artikel über Candidate Experience im Mittelstand (Kapitel 12. "Ist Candidate Experience nur etwas für Konzerne? Candidate Experience Management im Mittelstand", von Tim Verhoeven). 
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Über meine Interview-Partnerin:
Ina Ferber Die Diplompsychologin mit Harvard MBA gründete 2013 die Ferber Personalberatung , eine Agentur für Candidate Experience, Employer Branding und Personalberatung. Zuvor war sie 9 Jahre als Personalleiterin und HR-Managerin in Brüssel, Gütersloh und Duisburg tätig, von 2005 bis 2009 als selbstständige Interimsmanagerin für den HR-Bereich (Personalleitung auf Zeit). Anschließend leitete sie über 3 Jahre die Personalberatung und Employer-Branding-Agentur von Monster Worldwide und unterrichtete parallel an der Fachhochschule Frankfurt am Main. Ina Ferber veröffentlicht regelmäßig Beiträge in der Fachpresse und betreibt das Blog EMPLOYERREPUTATION .

Kommentare

  1. Wurde auch untersucht welche negativen Folgen die "One-Click-Bewerbung" mit sich bringt? Klick per Xing o.ä. Buttons verursachen Kosten und Zeitaufwand durch die Menge an nicht passenden Kandidaten. Schliesslich soll ja im Sinne der candidate experience allen nett abgesagt werden....

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    1. Vielen Dank für den Beitrag. Das ist in der Tat eine interessante Frage. Letztenendes ist es eine einfache Rechnung: Als Unternehmen bekomme ich durch ein einfacheres Verfahren mehr Bewerber. Davon sind X gut und Y schlecht und Z irgendwo in der Mitte. Der Mehraufwand berechnet sich also vereinfacht ausgedrückt = Kosten pro Arbeitszeit pro Bewerber *(X+Y+Z). Dagegen steht der Mehrwert X guten Bewerbungen, die dazu führen können, dass Stellen überhaupt oder schneller besetzt warden können.


      Aber zur Beantwortung der Frage wird meine Interview-Partnerin bestimmt auch noch etwas beitragen können :-)

      VG
      Tim

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  2. Liebe Anna Krüger, vielen Dank für die gute Anmerkung! Und Tim, danke für Deine Antwort. Gerne trage ich dazu noch zwei Gedanken bei :-)

    A.
    Einen Punkt habe ich im Interview erwähnt:
    --> "Lösen Sie nur Probleme, die Sie haben!"

    Die OneClickBewerbung ist dann sinnvoll, wenn die Anzahl der Bewerbungen nicht ausreicht, um die Stelle zu besetzen. Bei der Lösung dieses Problems hilft die OneClickBewerbung.

    Das betrifft nicht immer alle Jobs einer Firma. Deswegen ist unsere OneClickBewerbung so gestaltet, dass Recruiter entscheiden können, in welche Stellenanzeige sie die OneClickBewerbung einbinden. Ist ein Profil vom Fachkräftemangel betroffen, macht es Sinn, die OneClickBewerbung anzubieten. Gehen auf ein Profil eher zu viele Bewerbungen ein, kann man die Option einfach weglassen.


    B.
    Es ist ein sehr störendes Problem, wenn sich viele Kandidaten bewerben, die nicht zum Profil passen und dafür wenige zu Kandidaten, die den Anforderungen entsprechen. Ich kann gut verstehen, wenn man da genervt ist. Eine gute Candidate Experience wird das Problem weder lösen noch verschärfen.

    Wenn ich mit Kunden arbeite, die sich in dieser Situation befinden, dann finde ich oft sehr unterschiedliche Ursachen:

    Manchmal sind die Anforderungen in der Stellenausschreibung unklar formuliert, oder die Anzeige wird auf Plattformen geschaltet, die nicht die richtigen Zielgruppen anziehen.

    Auch die SEO kann ein Problem sein (da kann schon eine Anzeige in englischer Sprache dazu führen, dass der Job von Kandidaten in Deutschland kaum, von Bewerbern in Indien aber prima gefunden wird).

    Die Employer Brand kann ebenfalls eine Hürde sein, wenn sie bestimmte Zielgruppen von einer Bewerbung abhält (z.B. wenn ein Unternehmen in der Region unbeliebt ist).

    Je nach Ursache, bieten sich dann ganz unterschiedliche Lösungen an.
    Kurz, meiner Meinung nach kann man mit einer strukturierten Ursachenanalyse und einer flexiblen, situationsgerechten Nutzung der OneClickBewerbung die negativen Folgen vermeiden.

    Ich freue mich über die Diskussion!

    Gruß, Ina

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