Candidate Experience: Best Practice der Swisscom

Nicole Hurni, Senior Recruiting Manager bei der Swisscom AG
Heute folgt ein neues und sehr ansprechendes Beispiel für die Realisierung eines Candidate Experience Projektes. Nachdem ich bereits selbst ein paar ausgewählte Beispiele über Candidate Experience Managament bei Vodafone berichtet habe und Dr. Jochen Kootz über das Candidate Experience Projekt bei E-Plus interviewt habe, folgt heute ein weiteres Best Practice - natürlich auch von einem Telekommunikationsdienstleister. Dazu habe ich heute das Vergnügen Nicole Hurni, Senior Recruiting Manager der Swisscom AG zu interviewen. Wie ich bereits in einem meiner letzten Interviews angesprochen habe, ist es keinesfalls ein Zufall, dass die gängigsten Beispiele für gelungene Candidate Experience Projekte aus dem Bereich der Telekommunikationsdienstleister kommen. Lest selbst, woran dies liegt.

Tim Verhoeven: Vielen Dank für die Bereitschaft, meinen Lesern etwas über euer Candidate Experience Management zu erzählen. Wann habt ihr angefangen euch mit dem Thema zu beschäftigen und wie kam es dazu?

Nicole Hurni: Swisscom gestaltet seit mehreren Jahren Kundenprozesse mittels Einbezug von Design Thinking Methoden mit dem Ziel die Perspektive des Kunden einzunehmen und seine Bedürfnisse miteinfliessen zu lassen. So wurde zum Beispiel ein neues Shop Konzept entwickelt oder die neuen Mobilfunk Preispläne. Wir haben uns überlegt, dass wir die Kandidatenperspektive im Rekrutierungsprozess stärker einnehmen wollen und haben eine Kandidatenerlebniskette über den ganzen Prozess entwickelt und definiert wo wir Schwerpunkte setzen wollen. Ausserdem wollen wir im Recruiting auch Botschafter der Marke Swisscom sein, da viele unserer Bewerbenden gleichzeitig unsere Kunden sind. Unser Ziel ist es natürlich auch, dass wir positiv wahrgenommen werden auf dem Arbeitsmarkt, da wir in unserer dynamischen Branche wie viele andere Unternehmen immer auf der Suche sind nach Perlen.

Tim Verhoeven: Swisscom misst die Zufriedenheit von internen und externen Bewerbern an verschiedenen Touchpoints. Wie seid ihr vorgegangen, als ihr bestimmen wolltet, was ihr wo messt?

Nicole Hurni: Zur Messung haben wir die von uns definierte Kandidatenerlebniskette herbeigezogen. Wir haben vorgängig definiert, welche Wirkung wir in den einzelnen Rekrutierungsphasen erzielen wollen. Für unsere Recruiter haben wir eine Recruiting Charta gestaltet, in der wir in einfachen, klaren Sätzen beschreiben wie wir uns verhalten und für was wir stehen. Mit den mündlichen Befragungen prüfen wir, ob die Eindrücke der Bewerbenden tatsächlich dem entsprechen was wir uns vorgenommen haben.


Tim Verhoeven: Wie sehen die Ergebnisse aus?

Nicole Hurni: Grundsätzlich kann man sagen, dass wir uns auf einem guten Weg befinden, da sich viele unserer Aktivitäten auszahlen. Beispielsweise schätzen unsere Bewerbenden im Gespräch mit dem Recruiter und dem Linienverantwortlichen die offene, vertrauensvolle Gesprächsführung. Auch ein wertschätzendes Feedback nach einer Absage erzeugt eine gute Wirkung. Die Ergebnisse sind natürlich auch unter dem Gesichtspunkt zu sehen, ob es zu einer Zu- oder Absage gekommen ist. Trotzdem wollen wir gerade auch bei Kandidaten, denen wir nach einem Gespräch absagen mussten, positiv in Erinnerung bleiben, um sie vielleicht für eine andere Stelle zu gewinnen.

Tim Verhoeven: Gibt es Prozesse, die ihr auf Grund der Ergebnissen dieser Messungen optimiert habt?

Nicole Hurni: Bewerbenden, die wir gar nicht persönlich kennen lernen können, wollen wir ebenfalls ein transparentes, wertschätzendes Feedback geben. Dies geschieht mit einem Absagebrief, in dem wir wenn immer möglich auch die Gründen nennen wollen, weshalb es nicht geklappt hat. Ausserdem ist es wichtig, dass wir schnell sind: Kandidaten wollen rasches und unmittelbares Feedback zu einem Bewerbungsprozess. Nebst einer qualitativen Betrachtung messen wir daher auch die Dauer wie lange es bis zur ersten Kontaktaufnahme gedauert hat.

Tim Verhoeven: Bewerber kann man schwer alle mit den selben Prozessen glücklich machen - die Anforderungen unterscheiden sich von Zielgruppe zu Zielgruppe. Wie geht ihr damit um?

Nicole Hurni: Wir sind uns dieser Herausforderung bewusst und wissen, dass wir je nach Zielgruppe unterschiedlich unterwegs sein müssen. Aus diesem Grund haben wir einen flexiblen Prozess geschaffen, der den groben Rahmen vorgibt. Das bedeutet, dass wir zum einen gewisse Elemente des Prozesses einheitlich handhaben wollen, zum anderen auch frei sind wie wir situativ vorgehen wollen. So schätzt beispielsweise ein Techie ein Fachgespräch mit dem Linienverantwortlichen währenddessen wir potenzielle Mitarbeitende für den Swisscom Shop oder das Contact Center zu einem Event vor Ort einladen, damit sie sich ein Bild von der zukünftigen Arbeitsumgebung machen können. Beide erwähnten Zielgruppen wiederum finden es positiv, dass wir in der „Du-Form“ kommunizieren.


Tim Verhoeven: Candidate Experience ist ein relativ neues Thema und es gibt noch nicht viele Erfahrungen auf die man aufbauen kann. Habt ihr euch externe Expertise ins Unternehmen geholt, als ihr das Thema Candidate Experience angegangen seid?

Nicole Hurni: Wir haben bei Swisscom glücklicherweise bereits grosse Erfahrung mit Customer Experience. Um die Brücke zu Candidate Experience zu schlagen, war es wichtig zusätzlich auch externe Expertise zu holen, da es für Recruiting und Human Resources generell ein neues Thema gewesen ist. Wir haben mit einem Design Consultant zusammen gearbeitet, der eine Aussensicht eingebracht und uns auch kritisch hinterfragt hat. Er hat uns auch immer wieder inspiriert bestehende Pfade zu verlassen, um neue Wege zu gehen. Eine solche Denkhaltung entsteht nicht von heute auf morgen und ist Teil eines längeren Prozesses. Rückblickend denkt man sich dann warum man das nicht schon viel früher so gemacht hat.

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