Start-Ups in der HR-Branche: Interview mit Arnim Wahls von firstbird

Heute folgt der fünfte Teil meiner Serie über Start-Ups in der HR-Branche. Arnim Wahls widmet sich mit seinem Unternehmen firstbird dem machtvollen aber häufig stiefmütterlich behandelten Thema Empfehlungsmarketing oder wie es in einem meiner ehemaligen Unternehmen abgekürzt wurde - MAwMA.

Auf den ersten Blick mag man sich fragen - warum braucht ein Unternehmen denn dafür externe Unterstützung? Bei genauerer Betrachtung sieht man jedoch eine sehr gut durchdachte Dienstleistung, die genau das Mosaiksteinchen sein kann, die manch einem Unternehmen fehlt, um das eigene Mitarbeiterempfehlungsprogramm effizient zu nutzen.

Genau diese Konstellation macht es aus meiner Sicht spannend zu beobachten, wie sich firstbird weiter im Markt etablieren wird - denn es sagt auch etwas über die HR-Branche aus.


Tim Verhoeven: Erzähl uns kurz, wie es dazu kam, dass du firstbird ins Leben gerufen habt. 

Arnim Wahls: Ich war damals für das Recruiting der Juristen in einer großen Anwaltskanzlei verantwortlich und hatte vor allem eine Aufgabe: Schnellstmöglich die bestmöglichen Kandidaten zu liefern und das auf einem Arbeitsmarkt, gegen den die Wüste Gobi wie eine Blumenhandlung wirkt. Gut also, dass wir ein Jahr zuvor ein Empfehlungsprogramm mit einer satten Erfolgsprämie gestartet hatten, denn – wie in vielen anderen Branchen auch – sind die Experten in der Anwaltsbranche nicht nur hochgradig passive Kandidaten, sondern auch untereinander äußerst gut vernetzt. Ich brauchte also nur noch unseren Job auf unsere interne Jobbörse im Intranet stellen und auf die passenden Kandidaten warten. Nunja - das Ende der Geschichte ist, dass wir über unser Empfehlungsprogramm keinen einzigen Bewerber erhielten und unserem Headhunter eine Summe überweisen mussten, mit der wir den ein oder anderen Jura-Abschlussjahrgang zum Segeltörn einladen hätten können.

Soweit, so normal. Das spannende Detail an der Geschichte ist jedoch, dass unser neuer Anwalt nicht nur viele Studenten um eine Fahrt ans Mittelmeer gebracht hat, sondern in unserer Kanzlei viele ehemalige Studien- und Arbeitskollegen wiedertreffen durfte. Wir mussten uns also fragen: Warum hatten wir es nicht geschafft, diesen neuen Mitarbeiter über unser eigenes Netzwerk zu rekrutieren? Viele Gespräche mit Mitarbeitern, Recruitingexperten und Empfehlungsspezialisten später war das Ergebnis klar: Wir hatten unser Netzwerk weder ausreichend über die offene Position informiert, noch sinnvoll zu Empfehlungen motiviert. Viele weitere Gespräche (und mutmachende Getränke) später war ich von Empfehlungen als Recruitingkanal dann soweit fasziniert, dass ich zusammen mit meinem Partner Matthias Wolf www.firstbird.eu gegründet habe.

Tim Verhoeven: War es von Anfang an der Plan, das Portal zu kommerzialisieren? Hattest du von Anfang an einen Business-Plan? 

Arnim Wahls: Business-Pläne ändern sich ja bekanntlich laufend. Wir hatten aber von Anfang an das Ziel, mit firstbird Geld zu verdienen. Schließlich haben wir beide gute Jobs gekündigt um unseren Traum zu verwirklichen.

Tim Verhoeven: Wie hast du dich finanziert bzw. am Anfang über die Runden gehalten insb. als erste regelmäßige Kosten auftraten? 

Arnim Wahls: Unser Ziel war es von Anfang an, so lange wie möglich unabhängig zu bleiben und unsere Idee nicht für ein paar Euro an einen Investor abzugeben. Daher haben wir unsere Ersparnisse in die Entwicklung gesteckt und darüberhinaus noch ein paar Fördergelder bekommen. Damit wir uns in den Anfangsmonaten auch hin und wieder ein Gehalt auszahlen konnte, haben wir zudem einige Beratungsprojekte angenommen.

Tim Verhoeven: Welche unternehmerischen Meilensteine gab es bei euch? 

Arnim Wahls: Der erste Meilenstein war die Kündigung meines Jobs im Dezember 2012, damit gab es dann kein Zurück mehr. Knapp ein Jahr später hatten wir dann eine funktionierende Plattform, die im März 2014 bei den ersten Kunden live ging.

Den nächsten Meilenstein haben wir erst vor kurzem erreicht. Wir wurden aus über 500 Startups in das das Accelerator Programm von Microsoft gewählt und haben gestern unser neues Büro neben dem Brandenburger Tor bezogen.

Tim Verhoeven: Gibt es Dinge, die du im Nachhinein anderes machen würdest? 

Arnim Wahls: In der Start-up Phase macht man ständig Fehler und lernt eigentlich täglich dazu. Glücklicherweise hatten wir bei den essentiellen Punkten wie Vermarktung und Produktentwicklung aber größtenteils ein glückliches Händchen. Bezüglich Finanzierung stellt sich natürlich immer die Frage, ob man weiterhin mit den eigenen Mitteln organisch wachsen möchte, oder den Investmentboost zündet. Bisher setzten wir auf organisches Wachstum – ob das der richtige Weg ist, kann ich dir dann im nächsten Jahr sagen. Zudem muss ich deinem vorherigen Interviewpartner Christoph bezüglich des Zeitoptimismus zustimmen: Es kann nicht schaden, dass ein oder andere Prozent auf die erste Zeitplanung draufzuschlagen.

Tim Verhoeven: Inwieweit hast du dich beraten lassen zu den ganzen "Formalitäten" einer Gründung? 

Arnim Wahls: Glücklicherweise ist mitlerweile auch die österreichische Politik auf den Trichter gekommen, dass Start-ups ein wichtiger gesamtwirtschaftlicher Erfolgsfaktor sind. Daher gibt es eine Vielzahl an Beratungsangeboten (bspw. Mingo), die einen auch bereits in einer sehr frühen Konzeptphase zur Seite stehen. Bei der Gesellschaftsform haben wir lange mit einer Ltd. geliebäugelt, um uns den -Kosten- und Zeitaufwand einer GmbH-Gründung zu ersparen (und auch ein bisschen, weil es sexy ist). Letztendlich ist es aber doch die GmbH geworden, da im b2b Geschäft das Vertrauen hier einfach höher ist.

Tim Verhoeven: Wie schwer war es Anfangs andere von deiner Geschäfts-Idee zu überzeugen? 

Arnim Wahls: Mit einer halbwegs tragbaren Idee schafft man es eigentlich schnell, grundsätzliches Interesse zu wecken. Wenn es dann aber um konkrete Schritte geht, benötigt man schon etwas mehr Überzeugungskraft. Insbesondere zu Beginn - wenn die Geschäftsidee nicht mehr als ein wages Konzept ist - darf man sich von den üblichen Zweiflern und Pessimisten sowie den eigenen Selbstzweifeln nicht abschrecken lassen und muss einfach mal auf sich selbst vertrauen.

Tim Verhoeven: Was würdest du einem Absolventen raten, der ein Startup in der HR-Branche gründen möchte? 

Arnim Wahls: Mein erster Rat wäre, sich eine andere Branche zu suchen (siehe Zweifler und Pessimisten) und mein zweiter Rat wäre es, erst einmal ein paar Jahre in der HR-Welt zu arbeiten um einerseits diese besondere Welt kennenzulernen und um sich andererseits ein Netzwerk aufzubauen, auf das man dann später zurückgreifen kann. Man muss sich bewusst sein, dass die HR-Welt Innovationen nicht immer gerade offen gegenübersteht. Wenn man diese ersten Hürden übersteht ist es aber ein fantastischer Markt, da man in einen extrem wichtigen und interessanten Bereich eintaucht, in dem es noch viel Optimierungspotential gibt.

Kommentare

  1. Hallo Arnim,

    Ich frage mich, ob Unternehmen tatsächlich in so einer Sache noch Unterstützung benötigen. Das sollte doch jede halbwegs professionelle PA ohne fremde Hilfe schaffen.

    Liegt das Problem in der Regel eher daran, dass Unternehmen ihre Werte nicht mehr wirklich an die Mitarbeiter transportieren und Mitarbeiter dann vielleicht gar nicht mehr jemanden empfehlen WOLLEN?

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  2. Hallo Matthias

    Zu deiner Frage: Die Erfahrungen in Unternehmen zeigen (die wir auch selbst bei unseren eigenen Arbeitgebern gemacht haben), dass „Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter“-Programme durchaus ohne Software oder externe Unterstützung eingeführt werden können.

    Die Erfahrung hat uns allerdings auch gezeigt, dass diese Empfehlungsprogramme in der Regel nicht über eine Erfolgsquote bei Neu-Einstellungen über Mitarbeiter von 10% hinauskommen. Das liegt daran, dass Unternehmen oft nur auf finanzielle Prämien als einzigen Motivator setzen.

    Auf der anderen Seite gibt es Unternehmen mit sehr erfolgreichen Empfehlungsprogrammen. Hier sind nicht selten über 75% der Mitarbeiter als Empfehler aktiv und im Durchschnitt werden 30%-40% der Neueinstellungen über Empfehlungen generiert. Um das zu erreichen, benötigt es sehr gut durchgeplante Prozesse, eine nachhaltige und regelmäßige Kommunikation sowie ein gewisses Extra (bspw. Wettbewerb, Transparenz, gemeinschaftliche Prämien, öffentliche Preisverleihungen etc.). Auch das können Unternehmen natürlich selbst aufsetzen und es gibt hierfür auch erfolgreiche Praxisbeispiele, wie bspw. der Berliner Spieleentwickler Wooga. Allerdings ist der manuelle Aufwand für ein professionelles Management eines Empfehlungsprogramms idR sehr hoch, insbesondere, wenn ich die aktive Beteiligung von 50% und mehr aller Mitarbeiter erreichen möchte.

    Wie bei zahlreichen anderen HR-Themen auch, kann es für Unternehmen Sinn machen, mit externen Spezialisten zusammenzuarbeiten, die sich intensiv mit dem Thema auseinandersetzen und Weiterentwicklungen vorantreiben anstatt auf interne Lösungen zu setzen. Insbesondere wenn es darum geht größere Empfehlernetzwerke effizient zu managen, externe Empfehler (Alumni, Dienstleister, Kunden etc.) in das Empfehlungsprogramm zu integrieren, oder das Potenzial der sozialen Netzwerke für das Empfehlungsprogramm zu nutzen, stoßen viele Unternehmen an ihre Grenzen.

    Natürlich ist - wie du richtig - schreibst, eine wertschätzende Unternehmenskultur die grundlegende Prämisse, dass Mitarbeiter gerne Job-Empfehlungen an ihr Netzwerk weiterleiten oder potentielle Kandidaten überzeugen, den Arbeitgeber zu wechseln. Dies kann z.B.: in großen Konzernen von Abteilung zu Abteilung bzw. von Standort zu Standort wiederum sehr unterschiedlich gut ausgeprägt sein.

    Wenn du noch weitere Fragen hast, kannst du mich auch gerne unter meiner E-Mail unter arnim.wahls (at) firstbird.eu erreichen.

    Beste Grüße,
    Arnim

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